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Equilibria - Eine neue Welt

Die Befreiung des Wohlstands

Dieses Kapitel greift die Frage auf, die am Ende des vorigen Kapitels noch unbeantwortet geblieben ist: „Was ist eigentlich Wohlstand?“

Ich habe dort bereits geschrieben, dass ich die gebräuchliche Definition des Begriffs Wohlstand für ungeeignet halte, um auszudrücken, wie gut es Menschen wirklich geht. Meine Begründung dafür ist, dass in dieser Definition in der Regel ausschließlich materielle Faktoren wie Vermögen, Besitz oder Einkommen berücksichtigt werden. Nun ist es jedoch nicht schwierig, weitere Faktoren zu benennen, die für das Wohlbefinden eines Menschen von Bedeutung sind. Ein Beispiel ist, in welchem Maße man die eigene Zeit mit Tätigkeiten verbringen kann, die einem Freude bereiten und Erfüllung verschaffen. Ein weiterer Faktor sind soziale Kontakte und die bereichernde Interaktion mit anderen Menschen.

Allein anhand dieser zwei Beispiele wird schon deutlich, dass es unzureichend ist, nur auf Basis materieller Faktoren zu bewerten, wie es um das Wohl eines Menschen oder einer menschlichen Gemeinschaft steht. Doch mit dem Begriff Wohlstand wird die Erwartung verknüpft, dass er genau dies ausdrückt – dass er ein Maß ist, wie gut es den Menschen geht. Wohlstand wird daher als eine der wichtigsten Richtgrößen für politisches, wirtschaftliches und individuelles Handeln herangezogen. Wohlstand ist jedoch kein Maß dafür, wie gut es den Menschen geht, solange in seiner Bewertung nicht alle dafür relevanten Faktoren berücksichtigt werden. Die große Bedeutung, die dieser Richtgröße beigemessen wird, passt also einfach nicht dazu, wie einseitig und unvollständig sie aktuell bewertet wird.

Doch wieso ist das überhaupt problematisch? Das ist eine sehr berechtigte Frage an dieser Stelle. Schließlich bedeutet die Feststellung, dass noch weitere Faktoren für unsere Zufriedenheit von Bedeutung sind, nicht, dass materielle Faktoren unbedeutend sind. Und die materiellen Faktoren sind im Gegensatz zu anderen Faktoren gut messbar und bieten sich daher so wunderbar an, um Wohlstand zu bewerten. Wieso sollte man das also nicht ausnutzen, um daraus eine Richtgröße zu machen, an der wir uns mit unserem Handeln und unseren Entscheidungen orientieren können? Es schadet doch nicht, den materiellen Reichtum zu vergrößern.

Das ist prinzipiell korrekt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass dies im Einklang mit den Gegebenheiten unseres Lebensraums stattfindet. Wie schon im vorigen Kapitel ausführlich thematisiert sind unsere Ressourcen begrenzt und unsere Lebensgrundlagen vom Intaktsein natürlicher Gleichgewichte abhängig. Diese Gegebenheiten hat unsere Zivilisation mit dem blinden Fokus auf die Vergrößerung materiellen Reichtums aus den Augen verloren. Wir haben massiv in die Gleichgewichte unseres Lebensraums eingegriffen und tun dies weiterhin. Wir haben Ressourcen verschwendet und tun dies weiterhin. Unsere Produktivität ist sehr hoch, aber nicht nachhaltig. So ist der scheinbare, materielle Reichtum trügerisch. Denn den kurzfristigen Gewinnen unseres Handelns steht ein kontinuierlich zu zahlender Preis gegenüber, wenn darunter unsere natürliche Lebensgrundlage auf der Erde leidet. Je schlechter die klimatischen und ökologischen Rahmenbedingungen für unser Leben auf der Erde werden, desto größer ist der Einsatz, den wir für die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse und das Beheben entstandener Schäden leisten müssen. Im schlimmsten Fall wird der Einsatz so groß, dass er nur unter weiterer Zerstörung geleistet werden kann, die dann einen nochmals höheren Einsatz verlangt – ein Teufelskreis. Man kann sich das anhand des folgenden Vergleichs sehr gut vor Augen führen:

Stellen wir uns ein Holzhaus im Wald vor. Es ist sehr kalt und wir möchten ein Feuer machen, um zu heizen. Der nachhaltige Weg wäre, das Feuerholz von draußen aus dem Wald zu holen. Aber wir sind bequem, wollen nicht in die Kälte raus und denken uns: „Da ist so viel Holz in den Wänden des Hauses. Wieso die Mühe machen und das Holz aus dem Wald holen?“ So beginnen wir immer wieder kleine Stücke aus den Wänden des Hauses zu holen und zu verfeuern. Anfangs funktioniert es wunderbar. Wir sparen Zeit und Energie, die wir für andere Dinge einsetzen können und es ist warm. Doch mit der Zeit werden die Wände des Hauses immer dünner und löchriger und die Wärme entweicht schneller nach draußen. Um die fehlende Isolierung des Hauses auszugleichen, brauchen wir ein größeres Feuer und mehr Holz. Wir haben immer noch die Möglichkeit, nun den nachhaltigen Weg zu wählen, doch würde dieser nun natürlich schon viel mehr Aufwand erfordern. Das ist aus unserer Gewohnheit betrachtet sehr unattraktiv, also bleiben wir bei unserer Methode und beginnen immer größere Stücke der Wände des Hauses ins Feuer zu werfen. Irgendwann verbrennt das letzte Stück. Das Feuer erlischt. Das Haus ist weg.

Dieser Vergleich mag übertrieben erscheinen, aber letztlich ist unser Lebensraum Erde wie das Holzhaus, dessen Intaktheit wir durch nicht-nachhaltiges Handeln nach und nach zerstören. Im Streben nach der schnellen und einfachen Erhöhung der Produktivität stören wir die wertvollen natürlichen Kreisläufe, die uns mit lebenswichtigen Ressourcen versorgen und die Lebensbedingungen schaffen, in denen wir bestmöglich leben und uns entwickeln können.

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Vergleich und der Realität ist, dass die Verursacher nicht zwangsläufig auch selbst von den negativen Folgen betroffen sind. Und das macht die Situation so schwierig. Beim Beispiel mit dem Holzhaus kann man sich gut vorstellen, dass womöglich doch recht schnell ein Umdenken stattfinden würde, da die Folgen schnell und deutlich spürbar werden. Doch im komplexen natürlichen System unseres Lebensraums mit all seinen Abhängigkeiten kommt es vor, dass negative Effekte erst mit zeitlicher Verzögerung auftreten oder nicht dort, wo sie verursacht werden. Dadurch wird es möglich, durch ausbeuterisches und nicht-nachhaltiges Handeln materiellen Reichtum zu vergrößern, ohne jemals selbst den wahren Preis bezahlen zu müssen. Das muss dabei nicht einmal vorsätzlich geschehen. Es kann ja auch schlichtweg dadurch passieren, dass die langfristigen Folgen gar nicht bewusst sind, da sie nicht sofort und am selben Ort erkennbar werden.

Leider ist es so, dass der materielle Reichtum in der westlichen Welt zu großen Teilen genau darauf basiert. Es ist lediglich ein regionaler und temporärer materieller Reichtum, der auf Kosten von Menschen in anderen Weltregionen und von künftigen Generationen erzielt wurde. Wann immer unser Handeln nicht nachhaltig ist und im Einklang mit den natürlichen Kreisläufen stattfindet, ist jeder Gewinn nur eine Umverteilung zu unseren Gunsten, während der natürliche Reichtum des gemeinsamen Lebensraums aller Menschen insgesamt immer weiter schwindet.

Aus diesem Grund ist es höchste Zeit für einen Versuch, die fatale Beschränkung auf materielle Faktoren abzulegen, und uns ganzheitlich mit der Frage auseinanderzusetzen, was unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität bestimmt. Es geht mir dabei gar nicht darum anzuprangern, was meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft nicht richtig läuft. Ich sehe darin schlichtweg eine große Chance und eine neue Perspektive, Zufriedenheit gesamtgesellschaftlich wachsen zu lassen und gleichzeitig die Transformation zu einer nachhaltig lebenden Zivilisation zu schaffen. Führt uns der Fokus auf materielle Aspekte wirklich zu größtmöglicher Zufriedenheit? Können wir mit einem anderen Fokus nicht vielleicht ein unglaublich großes Potential aufdecken, Zufriedenheit über andere Faktoren zu vergrößern, welche nicht von begrenzten Ressourcen abhängig sind? Wäre es nicht großartig, einen Weg zu finden, mit deutlich weniger materiellem Reichtum genauso zufrieden oder sogar noch zufriedener zu sein?

Man kann zunächst etwas feststellen, das durchaus merkwürdig erscheint: Das Vermögen und der Besitz sind in der westlichen Welt kontinuierlich größer geworden. Dennoch sind sehr viele Menschen gestresst, überlastet und haben psychische Probleme und überall zeigt sich Hass und Feindseligkeit zwischen Menschen. Zufriedenheit ist natürlich sehr individuell und auch nicht messbar, aber es gibt zumindest diese Indikatoren, die den Anschein erwecken, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft unzufrieden sind. Wie kann das sein?

„Es ist nicht genug.“ Das ist ist die Antwort, zu der man zwangsläufig immer wieder gelangt, wenn man ausschließlich materielle Faktoren in Betracht zieht. Doch ist das wirklich das Problem? Könnte nicht auch unsere Definition von Wohlstand selbst aufgrund der Bewertungsmuster, die sie erzeugt, und des Handelns, das sie begünstigt, eine Quelle für Unzufriedenheit sein? Wie könnte man das erklären?

Der Effekt der „driftenden“ Gemeinschaft, der im ersten Kapitel dieser Rubrik beschrieben wurde, kann uns einen Erklärungsansatz liefern. Der Effekt erläutert, dass es in jeder Gemeinschaft eine Tendenz gibt, sich immer weiter in Richtung einmal entstandener Bewertungsmuster zu entwickeln. Im konkreten Fall könnte es also gereicht haben, dass einmal die Bewertung von Wohlstand anhand materieller Faktoren entstanden ist, damit unsere Gesellschaft sich immer stärker nach diesen Faktoren ausrichtet, selbst wenn dies eigentlich nicht zu ihrem Wohl beiträgt. Dass diese Bewertung so einst entstanden ist, erscheint logisch. Schließlich diente in den Anfängen der Entwicklung unserer Zivilisation noch alles Handeln allein der Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Wasser und schützender Kleidung. In seiner ursprünglichen Basis bedeutete materieller Wohlstand also einmal nichts anderes als die Erfüllung der Grundbedürfnisse und war dadurch wahrscheinlich wirklich noch gleichbedeutend mit Lebensqualität.

Anfangs mussten Menschen alles, was sie für ihr Überleben brauchten, selbst beschaffen. Im nächsten Schritt begannen Menschen sich auf etwas zu spezialisieren und die anderen lebensnotwendigen Dinge damit zu ertauschen. So konnte schon effizienter gewirtschaftet werden. Schließlich entwickelten die Menschen Geld als universelles Tauschwerkzeug. Es war eine großartige Erfindung, die dem Austauschen verschiedenster Waren und Leistungen eine ganz neue Flexibilität gab. Doch eine Sache mit dem Geld ist schief gelaufen. Anfangs diente alles Geld ausschließlich dazu, eigene Grundbedürfnisse zu befriedigen, da es darüber hinaus gar nichts zu kaufen gab. Man kann es so betrachten, als wurde es damals noch 1:1 gegen Lebensqualität eingetauscht. So fingen die Menschen an, Geld selbst als Wert zu betrachten und als Bewertungsmaßstab zu nutzen. Doch das ist ein großes Problem. Denn Geld an sich hat keinen Wert. Es macht weder satt noch hält es warm. Es ist ein Werkzeug, das eingesetzt, in dem Fall eingetauscht werden muss, um einen Wert zu erzeugen. Geld ist als Bewertungsmaßstab völlig ungeeignet. Denn der Wert, der durch eine gleiche Menge Geld erzeugt wird, ist extrem unterschiedlich je nachdem wie sie eingesetzt wird.

Das lässt sich sehr einfach veranschaulichen. Wir stellen uns vor, wir starten mit Nichts. Nun bekommen wir einen Geldbetrag, der uns ermöglicht unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dieser Geldbetrag hat für uns somit einen geradezu unermesslichen Wert. Dann bekommen wir den gleichen Geldbetrag ein zweites Mal. Aber wie sollen wir damit jemals den gleichen Gewinn an Lebensqualität erzielen wie mit dem ersten Betrag? Es ist wohl mit keinem Geld der Welt nochmal ein vergleichbar großer Schritt für unsere Lebensqualität und Zufriedenheit möglich, wie der aus akuter Überlebensnot, welchen uns der erste Betrag ermöglicht hat. Eine gleiche Menge Geld hat immer weniger Potential, Mehrwert zu erzeugen, je mehr wir bereits besitzen und je umfassender unsere Bedürfnisse und Wünsche bereits erfüllt sind.

An dieser Stelle offenbart sich ein großes Problem. Wir haben Geld und Besitz zu unserem Bewertungsmaßstab für Wohlstand gemacht und bekommen dadurch suggeriert, dass die Vermehrung von Geld und Besitz 1:1 eine Vergrößerung unserer Lebensqualität und Zufriedenheit herbeiführt. Doch je größer unser materieller Reichtum geworden ist, desto stärker weicht der tatsächliche Gewinn von diesem Verhältnis ab. Was jedoch nicht abweicht, ist in der Regel der Einsatz, der zur Vermehrung von Geld und Besitz in irgendeiner Form geleistet werden muss. Dabei kann es sich um irdische Ressourcen wie Rohstoffe oder Landfläche handeln oder auch um Arbeitskraft als menschliche Ressource. Und wie bereits weiter oben erläutert, ist nicht gesichert, dass alle Menschen auch entsprechend ihres tatsächlichen Einsatzes profitieren. Das wird am Beispiel unserer Zivilisation sehr deutlich. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die bis zur völligen körperlichen und mentalen Erschöpfung arbeiten und trotzdem noch jeden Tag um die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse bangen müssen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die so große Vermögen erben, dass sie ein Luxusleben führen können, ohne je einen Finger rühren zu müssen. Es zeigt sich jedoch nicht nur in diesen globalen Extremen. Ein anderes Beispiel ist die Bezahlung von Arbeit. Viele Arbeiten, die unmittelbar zur Erfüllung der Grundbedürfnisse der Menschen beitragen und somit allen Menschen zugute kommen, sind viel schlechter bezahlt als Arbeiten, die nur dem Erhalt und der Vergrößerung des materiellen Reichtums weniger Menschen dienen. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz irdischer Ressourcen. Es ist ein gemeinschaftlicher Einsatz aller Menschen. Aber ein großer Anteil fällt einem überdurchschnittlichen Lebensstandard der reicheren Hälfte der Weltbevölkerung zum Opfer, während gleichzeitig die Versorgung mit dem absolut Lebensnotwendigen nicht für alle Menschen gewährleistet ist. Wie kann das sein? Wie konnte ein solches Ungleichgewicht entstehen?

Die Antwort ist so einfach wie fatal: In einer materialistischen Gemeinschaft, die komplett auf die Vermehrung von materiellem Reichtum ausgerichtet ist, basiert der Einsatz von Ressourcen und Arbeitskraft auf Geld und nicht auf Bedürfnissen. Es spielt keine Rolle, ob es sich um etwas Lebensnotwendiges handelt, das alle Menschen brauchen oder nur um einen exklusiven Wunsch weniger. Allein wie viel Geld von den Menschen dafür aufgebracht werden kann, bestimmt ob Ressourcen und Arbeitskraft für etwas eingesetzt werden. So führt eine einmal entstandene ungleichmäßige Verteilung zu einer unaufhaltsamen Spirale. Dadurch dass die begrenzten Ressourcen und die Arbeitskraft nun vermehrt auch für die Erfüllung von sekundären Bedürfnissen reicherer Menschen eingesetzt werden, bleibt weniger für die Erfüllung primärer Bedürfnisse aller Menschen. Lebensnotwendige Dinge werden knapper und teurer. Das zwingt die ärmeren Menschen dazu, einen noch größeren Anteil ihres Geldes, ihrer Zeit oder ihrer Energie dafür einzusetzen. Ihnen bleibt weniger übrig, das sie einsetzen können, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. Menschen, die schon überdurchschnittlich viel Geld haben, können hingegen einen vergleichsweise großen Anteil ihrer Ressourcen einsetzen, um noch reicher zu werden. Das einfachste Beispiel ist, dass sie Geld, das sie gerade nicht brauchen, als Kredit geben und mit Zinsen zurückverlangen können. So vergrößert sich das Ungleichgewicht und die gerade beschriebenen Effekte werden weiter verstärkt.

Nun könnte man einbringen, dass ja nicht einfach vorbestimmt ist, wie viel Geld ein Mensch hat, sondern von seiner Lebens- und Arbeitsleistung abhängig ist. Doch auch hier gilt natürlich genauso, dass es längst nicht mehr um eine Leistung geht, die der Gemeinschaft insgesamt zugute kommt. Schließlich lässt sich viel mehr Geld damit verdienen, etwas zu tun, das die exklusiven Wünsche weniger, immer reicherer Menschen erfüllt als damit, etwas zu tun, das die Grundversorgung der immer ärmeren Masse ermöglicht. Und damit verliert der materielle Reichtum seine ursprüngliche Rechtfertigung, welche lautet, dass ein Mensch das bekommt, was er durch seine Leistung für die Gemeinschaft verdient. Obendrein geben die materiellen Verhältnisse, in denen ein Mensch zur Welt kommt, in einem solchen System schon maßgeblich vor, welche Möglichkeiten dieser Mensch hat. Bildungschancen, die Möglichkeit eigene Stärken zu entdecken, entwickeln und einzubringen sowie die generelle Gestaltungsfreiheit des eigenen Lebens – all das wird massiv verringert, wenn man von vornherein schon gezwungen ist, einen großen Anteil oder die gesamten individuellen Ressourcen Geld, Zeit und Energie in die eigene Grundversorgung zu investieren. Je größer die Ungleichheit, desto schwieriger wird es, in der materiellen Hierarchie aufzusteigen.

So führt der materialistische Bewertungsmaßstab zu einer immer größeren Kluft in der Gesellschaft. Auf der einen Seite steht ein immer ausufernder und von Generation zu Generation weitervererbter Luxus weniger Menschen. Dem gegenüber stehen immer mehr Menschen, die durch akute Not an ein System gefesselt werden, dass ihre Arbeitskraft und ihre Lebensgrundlagen ausbeutet und ihnen immer weniger Gestaltungsfreiheit und Entwicklungschancen für ihr Leben bietet. Schreitet dieser Prozess weiter fort, steht unweigerlich ein Kollaps bevor. Die Frage ist nur: Ist es ein ökologischer Kollaps, weil der immer weiter steigende Ressourcenverbrauch, den das Ausleben des wachsenden materiellen Reichtums der reichen Hälfte der Bevölkerung hervorruft, unseren Lebensraum irreparabel zerstört? Oder ist es ein sozialer Kollaps in Form von immer heftigeren Konflikten, da immer mehr Menschen in diesem System keine Chance mehr auf ein würdevolles Leben und daher nichts mehr zu verlieren haben?

Und so stellt sich die Frage, ob viele Menschen und unsere Gesellschaft insgesamt nicht einfach nur in einem Teufelskreis gefangen sind. Erzeugt womöglich der hohe Einsatz an Zeit und Energie, den wir für die Vermehrung materiellen Reichtums leisten (müssen) erst eine große Unzufriedenheit? Ist es diese Unzufriedenheit die wiederum das Bedürfnis nach einer weiteren Vermehrung des materiellen Reichtums hervorruft, da wir darin die Lösung vermuten? Und dann leisten wir einen noch höheren Einsatz und werden dadurch noch unzufriedener, während der erhoffte Effekt des materiellen Reichtums niemals eintritt, da er eben nicht 1:1 unsere Lebensqualität und Zufriedenheit vergrößert. Inwieweit wird erst durch unseren materialistischen Bewertungsmaßstab ein ständiges Mangelgefühl in uns erzeugt, weil wir erlernt haben, auch uns selbst danach zu bewerten? Sind wir nur deshalb unzufrieden, weil wir uns mit anderen Menschen vergleichen und denken, wir seien schlechtere Menschen, wenn wir weniger besitzen? Scheitern wir nur deshalb daran, ein größeres Selbstwertgefühl aufzubauen, das uns mit Zufriedenheit durchs Leben gehen lässt, weil uns kaum Zeit und Energie für Tätigkeiten bleibt, die uns Freude bereiten sowie Lebenssinn und Erfüllung geben, weil sie vielen Menschen zugute kommen? Wie viel Unzufriedenheit erzeugen die zwischenmenschliche Feindseligkeit, das Gegeneinander und das Misstrauen in unserer Gesellschaft, welche durch das Streben nach materiellem Reichtum entstehen? Wie belastend, ob bewusst oder unterbewusst, ist all das Leid und die Not auf der Welt, die aus der ungleichen Verteilung des materiellen Reichtums resultieren?

Viele Fragen, die eines ganz deutlich zeigen: Es gibt viele Ansätze zu erklären, wie die materialistische Wohlstandsdefinition sich negativ auf andere Faktoren auswirkt, die für die Zufriedenheit der Menschen von Bedeutung sind. Und so muss man sich fragen, ob diese Definition von Wohlstand uns wirklich zu wahrem Wohlstand in Form von Lebensqualität und Zufriedenheit führt oder ob sie dem eher im Weg steht. Ist diese Definition nicht ein sehr enger Käfig, in dem sich wahrer Wohlstand gar nicht entfalten und wachsen kann? Wie soll der Gewinn an Lebensqualität und Zufriedenheit, den wir durch mehr materiellen Reichtum noch erreichen können, wenn unsere primären Bedürfnisse bereits alle erfüllt sind, jemals die ganzen negativen Faktoren aufwiegen?

Und noch eine letzte Frage: Wofür das alles? Was ist der gesellschaftliche Gewinn, der dieses System rechtfertigt?

Befürworter des Systems versuchen dies mit folgendes Argumentation: Die Möglichkeit, materielles Vermögen aufzubauen, ist ein Anreiz, dass Menschen einen Beitrag zu technischem Fortschritt leisten. Von diesem Fortschritt profitieren dann alle Menschen. Häufig wird das System gar als alternativlos bezeichnet, da nur durch diesen Anreiz dafür gesorgt sei, dass Menschen einen Einsatz für die Gemeinschaft erbringen.

Diese Argumentation hat meiner Meinung nach zwei erhebliche Schwachpunkte. Der Erste ist die Aussage, dass ein technischer Fortschritt gefördert würde, der allen Menschen zugute kommt. Denn es gilt natürlich auch hier wieder, dass es weit weniger lukrativ ist, etwas zu entwickeln, das eine bessere Grundversorgung vieler Menschen sicherstellt als etwas, das der reicheren Hälfte der Gesellschaft noch mehr Luxus ermöglicht. Der zweite Schwachpunkt ist die Aussage, es müsse möglich sein, materielles Vermögen aufzubauen, damit Menschen einen Einsatz für die Gemeinschaft leisten. Diese Aussage setzt die Annahme voraus, materielle Faktoren seien der einzige Antrieb für das Handeln eines Menschen. Es reicht eine Betrachtung der Welt, um zu erkennen, dass das nicht stimmt. Denn neben den zweifellos überall zu beobachtenden Handlungen, die durch die Vermehrung materiellen Reichtums motiviert sind, gibt es eben auch jene, die davon völlig losgelöst sind. Menschen helfen anderen Menschen, ohne Geld dafür zu verlangen. Menschen entwickeln und kreieren Dinge ohne Aussicht auf materiellen Profit. Es gibt viele Handlungen ohne materielle Gegenleistung. Die Menschen, die sie verüben, tun das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Es muss offensichtlich irgendetwas Anderes als materielle Faktoren geben, das sie dazu antreibt.

Die sehr schöne Schlussfolgerung dieser Betrachtung ist, dass es definitiv Grund zur Hoffnung gibt, dass ein alternatives System möglich ist, welches nicht in einer unaufhaltsamen Spirale zu einem ökologischen oder sozialen Kollaps führt. Und damit kommen wir ein weiteres Mal zum


Aufbau von Equilibria

Die Zielsetzung in Equilibria lautet, eine Zivilisation aufzubauen, die allen Menschen, aktuellen wie zukünftigen Generationen zu einem Leben in größtmöglicher Zufriedenheit verhilft, also im Idealfall ein stetiges Wachstum der Gesamtzufriedenheit auf der Welt ermöglicht.

Wie bereits ausführlich thematisiert sorgen die begrenzten Ressourcen des Lebensraums Erde für eine Begrenzung des Potentials, materiellen Reichtum zu vergrößern. Für materielle Faktoren gilt, dass überdurchschnittlicher Reichtum nur durch gleichzeitige Armut anderer Menschen oder die Armut zukünftiger Generationen möglich ist. Eine Vermehrung materiellen Reichtums ist immer nur temporär und lokal, und daher kein Weg, die Gesamtzufriedenheit auf der Welt zu steigern. Im Gegenteil: Man muss davon ausgehen, dass die Gesamtzufriedenheit auf der Welt sinkt, je ungleicher der materielle Reichtum verteilt ist. Schließlich steht der Erfüllung immer exklusiverer Wünsche auf der einen Seite handfestes Leid wie zum Beispiel Hunger oder Obdachlosigkeit auf der anderen Seite gegenüber. Es muss ein anderer Weg gefunden werden, der andere Faktoren für Zufriedenheit in den Fokus rückt, welche nicht nur zwischen Menschen umverteilt werden, sondern bei jedem Menschen unabhängig wachsen können. Es ist bereits zur Sprache gekommen, welche das sein könnten. Und so lässt sich nun ein Bild zeichnen, worauf die Zufriedenheit der Zivilisation von Equilibria basieren könnte:

Ich denke, der Schlüssel sind Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass die individuellen Bedürfnisse aller Menschen gleich viel zählen. So ist dafür gesorgt, dass alle Menschen gleich stark beeinflussen können, wie die begrenzten Ressourcen auf der Welt eingesetzt werden und welchen Tätigkeiten Wertschätzung entgegengebracht wird. Das sollte dazu führen, dass die Ressourcen und die Arbeitsleistung primär der Erfüllung der Grundbedürfnisse dienen, so dass diese für alle Menschen gewährleistet ist und dadurch allen Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht wird. Das Entstehen eines Ungleichgewichts der Verteilung materiellen Reichtums wird verhindert und entsprechend existieren keine Vorbilder überproportionalen materiellen Reichtums. Ohne die Existenz solcher Vorbilder werden Menschen weniger dazu verleitet, im materiellen Reichtum den Schlüssel zu ihrer Zufriedenheit zu vermuten. Folglich werden sie mehr Zeit und Energie in die Suche nach anderen Wegen zu mehr Zufriedenheit stecken. Dies hat wiederum positive Auswirkungen auf die menschliche Gemeinschaft. Denn Zufriedenheit in Form von erfüllenden Tätigkeiten und Selbstwertgefühl ist Zufriedenheit, die nicht von begrenzten Ressourcen abhängig ist. Sie basiert dadurch im Gegensatz zu materiellen Faktoren nicht auf Konkurrenz. Durch den Abbau von Konkurrenz kann eine friedlichere, vertrauensvollere Gesellschaft mit mehr gegenseitiger Wertschätzung entstehen. Und eine solche Gesellschaft ist selbst wiederum ein Faktor, der ein zufriedeneres Leben ermöglicht. Durch ein hohes Maß an Zufriedenheit aus anderen Faktoren verringert sich das Bedürfnis nach materiellem Reichtum. Weniger Arbeitsleistung ist erforderlich, um dieses zu erfüllen und die Menschen haben mehr Freiheit, sich individuell auszuleben und Zeit und Energie erfüllenden, sinnstiftenden Tätigkeiten sowie zwischenmenschlichen Beziehungen zu widmen.

Das Wohlstandsrezept von Equilibria lautet also:
zuverlässige Erfüllung der primären Bedürfnisse aller Menschen
Gleichberechtigung und Chancengleichheit aller Menschen
ein Höchstmaß an individueller Gestaltungsfreiheit für das Leben aller Menschen
eine friedliche, vertrauensvolle Gemeinschaft des Miteinanders und gegenseitiger Wertschätzung, die diese Rahmenbedingungen schützt

Doch ist es überhaupt möglich einen entsprechenden Systemwandel zu erreichen?

Ich bin überzeugt, dass es möglich ist. Gelingt es den materialistischen Bewertungsmaßstab zu durchbrechen, ist es auch möglich die Teufelskreise, die er befeuert, zu durchbrechen. Durch Aufklärung, individuelle Erfahrungen und neue Vorbilder kann Stück für Stück der gesellschaftlich transportierte Bewertungsmaßstab für Wohlstand verändert werden – verändert zu einem Maß, das alle Faktoren für zufriedenes Leben ganzheitlich berücksichtigt. Und ich denke, dann offenbaren sich für sehr viele Menschen Perspektiven eines zufriedeneren Lebens, die von einer Vergrößerung des materiellen Reichtums unabhängig sind.

In den kommenden Kapiteln werde ich daher beginnen, auf Basis dieser allgemeinen Einführung, konkrete Beispiele, Konzepte und Ideen zu präsentieren, wie solche Perspektiven aussehen könnten und wie sich daraus neue gesellschaftliche Strukturen entwickeln könnten, die wiederum mehr Menschen neue Perspektiven eröffnen.

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