
Die Reise zum Ich
1. Etappe: Der Teufelskreis der Wahrnehmung
Wie kann man durch die geschickte Ergänzung eines einzigen Buchstabens einen Schlüssel zu einem zufriedeneren Leben finden?
Mit dieser seltsamen Frage heiße ich Dich herzlich willkommen zur ersten Etappe der Reise zum Ich. Vor einigen Jahren habe ich mich selbst auf dieser Reise wiedergefunden. Ich habe auf dieser Reise eine Quelle für Energie und Zufriedenheit gefunden. Unerschöpflich und unabhängig. Mitten in mir drin. Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch sie besitzt und sie einfach nur schwer zu finden und abzuschöpfen ist. Deswegen sitze ich jetzt hier und versuche, Dir Wege dorthin zu beschreiben. Bevor wir jedoch irgendwo hingehen können, müssen wir erst einmal herausfinden, wo wir gerade überhaupt sind.
Schauen wir mal...
Von klein auf erleben wir eine Welt, in der bewertet und beurteilt wird. Wir erleben, dass irgendetwas als richtig oder falsch eingestuft wird. Wir erleben, dass irgendetwas als besser als etwas anderes bezeichnet wird. Und wir erleben, dass irgendetwas einen Wert zugewiesen bekommt. Menschen und Dinge, Verhaltensweisen und Fähigkeiten, alles unterliegt permanenter Bewertung. In unserer Kindheit sind wir noch nicht in der Lage, diese Bewertungen zu hinterfragen. Sie erscheinen uns als Wahrheit. So erlernen wir zunächst, nach fremden Bewertungsmustern zu leben. Und natürlich versuchen wir, das für uns bestmögliche Leben in größtmöglicher Zufriedenheit zu erreichen. Deswegen nehmen wir alle Bewertungen, die wir wahrnehmen, und versuchen uns daraus die eine Wahrheit zusammen zu basteln, die uns sagt, was wir dafür tun müssen. Dabei haben wir es jedoch mit einem unmöglichen Puzzle zu tun. Lauter unterschiedliche, teils gegensätzliche Bewertungen, was gut und richtig ist und/oder zufriedener macht. Lauter Teile, die nicht zusammenpassen. Wie bringen wir also Ordnung in dieses Wirrwarr?
Meiner Erfahrung nach geschieht dies durch einen fatalen Effekt, der sich in unserem Unterbewusstsein abspielt. Einmal erzeugte Bewertungsmuster beeinflussen unser Denken, sodass unsere spontanen Gedanken in jeder Situation das, was wir wahrnehmen, in diese Muster rücken. Unsere Wahrnehmung der Welt wird nachträglich gefiltert und scheint dadurch immer wieder ein Selbstbild, das einmal entstanden ist, zu bestätigen. Aber genug der Theorie. Ich möchte Dir etwas von mir erzählen. Ein persönliches Beispiel, das diesen Effekt verdeutlicht.
Ich bin ein sehr introvertierter Mensch und dazu auch noch ziemlich schüchtern. Eine denkbar ungünstige Kombination, als ich irgendwann im Alter von 13 bis 14 Jahren anfing, mich für Mädchen zu interessieren und da plötzlich ganz neue Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte waren. Schließlich macht sich das Bewertungsmuster, dass der Mann den ersten Schritt beim Kennenlernen machen sollte, nach wie vor in unserer Gesellschaft ziemlich breit. Und kurz gesagt: Dafür habe ich damals nicht den nötigen Mut gefunden.
Ich bin gerne ruhig und introvertiert. Ich schätze diese Eigenschaften heute an mir und habe es auch damals schon getan. Aber ohne Frage sind diese Eigenschaften immer wieder auch Hindernisse auf dem Weg zu etwas, das ich mir wünsche. So wie sicher jede Eigenschaft mal Stärke und mal Schwäche ist. Ich hatte immer wieder Situationen erlebt, in denen ich durch meinen ruhigen Charakter an Grenzen stieß oder nicht verstanden wurde. Das hatte erste Spuren hinterlassen. Da war ein unterschwelliges Gefühl, nicht richtig zu sein, so wie ich bin oder zumindest, nicht richtig in die Welt zu passen. Als ich in die Pubertät kam, schien „so zu sein, wie ich bin“ wie ein unüberwindbares Hindernis zwischen mir und der Erfüllung der Sehnsüchte, die in mir explodierten. Und die Selbstzweifel hatten es damals ziemlich leicht. Denn auch ich hatte, wie wahrscheinlich jeder Mensch, erlernt, das Leben über mich urteilen zu lassen. Die Analyse schien eindeutig: Der „richtige“ Weg ist, dass Jungen Mädchen ansprechen. Andere Jungen können das. Ich schaffe es nicht. Also ist etwas mit mir falsch. Zudem hatten in meinem Umfeld nur Jungen früh eine Freundin, die extrovertiert, auffällig und im Mittelpunkt waren. Anders als ich. So entstand der ungebetene Gedanke: Bin ich vielleicht einfach nicht attraktiv für Mädchen?
Da waren nun also diese Zweifel in mir. Doch daneben spürte ich damals auch noch Hoffnung. Vielleicht musste es ja doch gar nicht ich sein, der die Initiative ergreift oder ich würde doch irgendwann selbst den Mut finden. Über mehrere Jahre machte ich in der Hinsicht weder positive noch negative Erfahrungen. Es gab keine klaren Zeichen des Interesses an mir aber ebenso keine der Ablehnung. Trotzdem wuchsen die Selbstzweifel rasant, während meine Hoffnung immer weiter schwand. Wie konnte das passieren?
Es ist passiert, weil ich in diese Zeit schon mit dem Gedanken, nicht richtig zu sein, hineingegangen bin. Das war der Filter, mit dem ich selbst diese Zeit wahrgenommen habe und der alles in das Bild gerückt hat, ich sei einfach nicht interessant oder attraktiv genug. In meiner Wahrnehmung war es nicht neutral, sondern zum Negativen verschoben. Die fehlenden Zeichen des Interesses an meiner Person sah ich als permanente Bestätigung meiner Selbstzweifel. Womöglich gab es sogar Zeichen des Interesses, die ich in meiner verdrehten Wahrnehmung nur einfach nicht als solche erkennen konnte. Das Ausbleiben von Zeichen der Ablehnung war unbedeutend, weil meine Gedanken permanent selbst welche erzeugten und in alle möglichen Wahrnehmungen hineininterpretierten. Ich sah in allen möglichen Gesten und Aussagen anderer Menschen Ablehnung. Erst heute ist mir klar, dass sie gar nicht da war und dass es eigentlich neutrale oder sogar positive Zeichen waren. So breiteten sich die Zweifel in mir aus. Es ging dabei längst nicht mehr nur um meinen ruhigen Charakter. Meine Persönlichkeit, meine Fähigkeiten, meine Interessen und nicht zuletzt mein Aussehen. Alles stand im Verdacht, ein Grund zu sein, dass ich nicht liebenswert bin.
Ohne jemals offene Ablehnung zu erfahren, durchlebte ich eine Zeit permanenter Diskriminierung. Niemand sonst war dazu notwendig. Sie entstand allein in meinen Gedanken. Die Ablehnung, die ich durch meinen Filter wahrnahm, verschlechterte mein Selbstbild weiter. Das verstärkte den negativen Filter, der mich immer mehr Ablehnung sehen ließ. Ein Teufelskreis. Die Zweifel und das schlechte Selbstbild erstreckten sich nach und nach auf alle Bereiche, die mit anderen Menschen zu tun hatten. Mit der Zeit übertrug sich das Selbstbild aus den Gedanken in mein Verhalten. Ich zog mich immer mehr zurück. Schließlich sagten mir meine Gedanken permanent: „Dich mag eh niemand, so wie du bist.“ Und ich gewöhnte mir ein bestimmtes Verhaltensmuster an. Wann immer sich mein Blick mit dem eines anderen Menschen traf, guckte ich reflexartig weg. Warum?
Nun ja, mein Wahrnehmungsfilter legte in jeden Blick vernichtende Aussagen wie: „Was ist das denn für einer?“ oder „Wie sieht der denn aus?“ Da wirkte Weggucken sehr sinnvoll.
War es aber natürlich nicht. Schließlich entstammten diese Aussagen nicht den Blicken der anderen, sondern nur meinen eigenen Gedanken. Ich hätte nichts zu verlieren gehabt, wenn ich den Blick gehalten hätte. Jede negative Wertung über mich, sofern Blicke eine solche überhaupt eindeutig transportieren können, war bereits Teil des Selbstbildes, mit dem mich meine Gedanken immer wieder konfrontierten. Ich beraubte mich durch dieses Verhaltensmuster also lediglich der Chance gegenteilige Erfahrungen zu machen und ein Lächeln zu sehen. Und natürlich wirkt ein Typ, der immer sofort beschämt wegguckt, wenn man ihn anschaut, vermutlich tatsächlich etwas merkwürdig.
Wie bin ich da rausgekommen?
Eine spannende Frage, die ich nur zum Teil beantworten kann. Ich kann beantworten, was passiert ist. Mir ist jedoch ein Rätsel, was genau es ausgelöst hat. Ich hatte einfach irgendwann dann doch die richtigen Gedanken im Kopf. Ich weiß nicht, woher sie kamen. Deswegen schreibe ich sie hier auf für Dich, denn meine kleine Geschichte ist nur ein Beispiel für etwas, dem wohl kein Mensch aus dem Weg gehen kann: Der Teufelskreis, dass unsere Wahrnehmung der Welt durch übernommene Bewertungsmuster beeinflusst wird und dadurch diese Bewertungsmuster permanent zu bestätigen und vertiefen scheint. Vielleicht können meine Worte Dir helfen, aufzudecken, wie Du selbst davon betroffen bist und dagegen zu wirken.
Der Wendepunkt war für mich ein Spaziergang, den ich vor einigen Jahren gemacht habe. Mir ging es zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht gut, aber ich hatte sehr wirksame Methoden entwickelt, um das immer wieder zu verdrängen und mich davon abzulenken. Diesen Spaziergang habe ich gemacht, als diese Methoden immer schlechter funktionierten und ich immer länger andauernde psychische Tiefphasen durchlebte, in denen ich spürte, wie unzufrieden ich eigentlich bin. Ich bin damals rausgegangen mit dieser einen Idee im Kopf: „Ich denke jetzt nur darüber nach, warum es mir schlecht geht und was mir fehlt, ohne in andere Gedanken zu flüchten.“
Ich stellte mir nur diese eine Frage: Was wünsche ich mir?
„Eine Freundin“ war eine Antwort. Aber es war nur noch eine von vielen. Ich hatte über die Jahre, die ich mich immer mehr zurückgezogen hatte, vieles verloren. Freundschaften, Aktivitäten, die mir Spaß machen und generell ganz viel Freude, Selbstwertgefühl und Lebensmut. Mir wurde schmerzlich bewusst, was mir alles fehlte. Die ungebetenen Gedanken kamen, die sagten: „Das alles fehlt dir, weil du so bist, wie du bist.“ Und dann tat es noch mehr weh. Immer mehr...
...doch dann kamen schließlich die rettenden Gedanken:
„Ich zeige mich endlich, so wie ich wirklich bin. Denn gerade, weil ich mich verstecke, erfahre ich Ablehnung. Nicht durch andere Menschen. Nicht durch die Welt. Ich lehne mich selbst ab. Ich erlaube mir nicht, einfach der Mensch zu sein, der ich bin. Deshalb geht es mir so schlecht. Ich habe nichts mehr zu verlieren, wenn ich mich zeige. Ich gebe lediglich anderen Menschen eine Chance, mich zu verstehen. Und ich gebe mir eine neue Chance, meinen Platz in der Welt zu finden.“
Dieser Gedanke verwandelte den Schmerz augenblicklich in ein Gefühl unbegrenzter Möglichkeiten. Und von da an ging es stetig bergauf. Ich wusste, was ich tun musste, auch wenn ich erst Jahre später eine Erklärung gefunden habe, warum es funktioniert und was in diesem einen Moment auf dem Spaziergang passiert ist. Ich habe verstanden, dass ich hinterfragen und anzweifeln muss, was meine spontanen Gedanken mir sagen.
Womöglich erscheint es Dir seltsam, dass ich über Gedanken schreibe, als wären sie eine andere Person in uns. Ich halte genau diese Betrachtung für sehr sinnvoll und aufschlussreich, denn es gibt zwei grundverschiedene Arten von Gedanken. Es gibt die aktiv gedachten Gedanken. Etwas, das wir bewusst tun. Quasi ein stummes Selbstgespräch, das wir kontrollieren können. Aber es gibt eben auch noch die Gedanken, die plötzlich in unserem Kopf sind. Ausgelöst durch irgendeine Situation oder manchmal völlig zufällig. Etwas Unbewusstes, das wir nicht kontrollieren können. Diese Gedanken sind wie eine andere Person, die zu uns spricht. Diese andere Person in uns verkörpert die übernommenen Bewertungsmuster, konfrontiert uns über die Gedanken ständig damit und sagt uns, was wir tun sollen. Es ist eine Manipulation, die wir fast unmöglich durchschauen können, da die Gedanken in uns selbst entstehen.
Praktischerweise sind die Gedanken aber auch der einzige Kanal, über den dieses negative Selbstbild uns gezeigt werden kann. Das ist der Grund, weshalb sich ab dem beschriebenen Moment für mich alles änderte. Allein dadurch, dass ich angefangen habe, die spontanen Gedanken zu hinterfragen und alternative Bewertungen für Wahrnehmungen und Situationen zu suchen, ging es mir schon besser. Meine Lebenssituation hatte sich noch nicht verändert. Mir fehlten immer noch soziale Kontakte und Aktivitäten, die mir Spaß machten. Das war nicht schön. Doch es zeigte sich nun, dass der weitaus größere Anteil meines Leidens all die Jahre durch die negativen Gedanken an sich erzeugt worden war. Je mehr ich selbst die Kontrolle über mein Denken übernahm, desto weniger konnten sie mir anhaben. Mein Selbstwertgefühl konnte wachsen, weil die Gedanken, die es immer wieder zerstörten, ein Gegengewicht bekommen hatten und sich nicht mehr so frei in meinem Kopf entfalten konnten, wie sie es mein gesamtes Leben bis zu diesem Wendepunkt getan hatten. Und dieses Wachstum meines Selbstwertgefühls sorgte unmittelbar für ein Wachstum meiner Zufriedenheit.
Dieser Gewinn an Zufriedenheit war es, aus dem ich die Kraft und den Mut ziehen konnte, neue Dinge auszuprobieren, mich wieder mehr zu zeigen und so nach und nach auch meine Lebenssituation zu verbessern. Und nun konnte ich positive Erfahrungen auch als solche wahrnehmen und nutzen, um mein Selbstbild Stück für Stück zu korrigieren. Weil ich nicht mehr auf die verdrehte erste Bewertung jeder Situation hereinfiel, sondern nach einer eigenen suchte. Ich hinterfragte die Bewertungen, was zufrieden macht, und begann zu fragen: „Was macht mich zufrieden?“ Ich hinterfragte die Notwendigkeit mich in Situationen zu begeben, in denen ich mich nicht wohl fühlte oder nicht gut zurechtkam und begann zu fragen „Wie gestalte ich mein Leben entsprechend meiner Persönlichkeit und meiner Eigenschaften und Fähigkeiten? Wie kann ich mich genau dadurch, wie ich bin, einbringen, statt ständig dagegen ankämpfen und versuchen zu müssen, mich zu verstellen? Und welche herausfordernden Situationen sind eben doch notwendig und sogar wertvoll, weil sie mich zu etwas führen, das mir echten Selbstwert vermittelt. “
Und damit bin ich bei der Antwort auf die Eingangsfrage: Wie kann man durch die geschickte Ergänzung eines einzigen Buchstabens einen Schlüssel zu einem zufriedeneren Leben finden?
Die Antwort lautet: Indem wir unseren Lebensgrundsatz mit diesem Buchstaben verändern von...
„Ich lebe ein Leben auf der Suche nach einer Wahrheit“,
zu
„Ich lebe ein Leben auf der Suche nach meiner Wahrheit.“
Ich habe verstanden, dass mich etwas zufriedener machen kann, auch wenn niemand auf der Welt versteht warum. Aber genau das ist dann meine Wahrheit und das Einzige, was für mich zählt. Ich habe verstanden, dass es keinen „richtigen“ Weg für irgendetwas gibt. Sondern unendlich viele verschiedene, von denen einer mein richtiger Weg ist. Der Weg, auf dem meine individuellen Eigenschaften Stärken sind. Und ich habe verstanden, dass nichts und niemand auf der Welt mir sagen oder zeigen kann, was für mich das bestmögliche und zufriedenste Leben ist. Ich kann es nur selbst herausfinden, indem ich auf meine Emotionen vertraue und nicht auf meine Gedanken und das, was andere Menschen sagen. Die Gedanken und andere Menschen geben lediglich einen stetigen Input, den ich mittels meiner Emotionen filtern kann.
Ich suche nun seit einigen Jahren meinen Weg – meine Wahrheit. Ich bin schon weit gekommen. Habe vieles aufgearbeitet und repariert, was in den ersten 23 Jahren meines Lebens kaputt gegangen ist. Ich habe Mut und Selbstvertrauen gefunden. Die Geschichte, die ich Dir erzählt habe, ist heute nur noch das: Eine Geschichte. Ich bin nicht mehr allein. Und ich habe den Mut gefunden, um selbst die Schritte zu tun, das zu erreichen. Was mir geblieben ist, ist dieser nervige Reflex, wegzugucken, wenn mich jemand ansieht. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, es nicht zu tun, so stark steckt er in mir drin. Aber heute kann ich anschließend darüber lachen und denken: Das nächste Mal schaff ich es! Und immer häufiger klappt es dann auch.
Schwieriger zu ertragen ist, dass, egal wie weit ich auf diesem Weg schon gekommen bin, immer wieder Momente kommen, in denen ich feststelle: Da ist noch viel mehr. Der Weg ist noch lang. Ich scheitere immer noch oft an unerklärlichen Ängsten und psychischen Blockaden und muss aufs Neue realisieren, dass ich doch noch stärker von äußeren Bewertungen abhängig bin als ich dachte. Und dann muss ich auch feststellen, dass die Aufarbeitung jedes neuen Aspekts harte Arbeit sein kann, auch wenn ich schon so viele Schritte gegangen bin. Aber eines spüre ich ganz sicher: Seit dem Wendepunkt, an dem ich den Teufelskreis erstmals durchbrochen habe, geht der Weg nur noch in eine Richtung. In die Richtige. Zu mir selbst. Zu meinem Ich.
Menschen sind unterschiedlich. Es kann keine allgemeingültige Wahrheit geben, die für alle Menschen vorgibt, was richtig oder falsch ist, was ein gutes Leben ist, was zufrieden macht. Natürlich muss jede Gemeinschaft von Menschen gemeinsame Linien und Regeln finden. Sie sind notwendig, um zu verhindern, dass die Freiheit des einen zur Einschränkung anderer wird. Solange das erfüllt bleibt, spricht nichts dagegen, dass jeder Mensch nach einer eigenen Wahrheit lebt. Es ist meiner Meinung nach sogar sehr wichtig für das menschliche Zusammenleben. Wenn wir unsere eigene Wahrheit suchen, die uns zu einem zufriedeneren Leben führt und andere Menschen ermutigen, nach ihrer individuellen Wahrheit zu suchen, dann vermehren wir das Lebensglück und die Zufriedenheit auf der Welt.
Okay, genug der großen Worte. Nun zum Abschluss noch einmal ganz praktisch und pragmatisch: Die Gedanken, die uns in Situationen spontan durch den Kopf gehen, uns die Situationen erklären und uns raten, wie wir handeln sollen, um möglichst zufrieden zu leben, das sind keine zuverlässigen Quellen. Sie sind manipuliert durch übernommene Bewertungsmuster. Wir können sie hinterfragen, aktiv andere Gedanken denken, andere Erklärungen suchen, andere Handlungsstrategien entwickeln. Und wenn wir dabei etwas finden, das uns zufriedener macht, dann sind wir unserer eigenen Wahrheit wieder ein Stück näher gekommen.
Du kannst es jederzeit versuchen. Unmittelbar nach einer Situation oder auch, indem Du Dir immer wieder, zum Beispiel jeden Abend vor dem Schlafengehen, ein wenig Zeit nimmst, um zu reflektieren, wie Du bestimmte Situationen wahrgenommen hast. Das können Aussagen und Gesten anderer Menschen sein, aber auch andere Erlebnisse, die etwas in Dir ausgelöst haben. Nimm Dir insbesondere Situationen vor, die negative Gefühle ausgelöst haben. Stell Dir folgende Fragen:
War meine Interpretation der Situation wirklich so eindeutig?
Warum hat die Situation mir weh getan?
Welche positiveren Interpretationen sind denkbar?
Fühle ich mich jetzt besser?
Tue dies solange, bis Du eine Perspektive auf die Situation gefunden hast, die dafür sorgt, dass Du die letzte Frage mit „Ja“ beantworten kannst.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für die erste Etappe der Reise genommen hast!
Bis zum nächsten Mal.
